Moment by Moment

Eine Frau steht in einer Kunstinstallation. Sie ist umgeben von grellen pinken Wänden, lediglich ihre dunkle Silhouette ist erkennbar.

Die psychedelische Reise zu uns selbst

Charles S. Grob und Jim Grigsby erforschen seit Jahrzehnten das medizinische Potenzial psychedelischer Substanzen. Christiane Wolf spricht mit ihnen über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und ihre persönlichen Erfahrungen mit LSD, MDMA, Psilocybin und anderen Psychedelika.

Interview: Christiane Wolf | Foto: Tony Reid

Nur wenige Europäer wissen, dass sich der Gebrauch von psychedelischen Substanzen in den USA stark verändert hat. Die sogenannte „Pflanzenmedizin“ ist in spirituellen, säkularen und religiösen Kreisen überaus populär geworden. Ist das auch eure Beobachtung?

Charles Grob: Ja, in den letzten Jahren haben Psychedelika Eingang in den Mainstream gefunden. Das liegt vor allem daran, dass die Sicherheit des Nutzers im kontrollierten therapeutischen Kontext gewährleistet ist. Das war nicht immer so. Jahrelang hatten die Menschen Angst davor, durch die Einnahme von Halluzinogenen verrückt zu werden. Man glaubte, das sei nur etwas für Asoziale, Gesetzlose und Außenseiter. Bis das Buch Verändere dein Bewusstsein von Michael Pollan erschien, das 2018 mehrere Monate lang auf der Bestsellerliste der New York Times stand. Wenn ein bekannter Schriftsteller wie Michael Pollan etwas veröffentlicht, achten die Leute darauf. Er interessierte sich sehr für die Verwendung von Psychedelika für verschiedene therapeutische Zwecke, was in der Öffentlichkeit breiten Anklang fand.

Wie seid ihr beide dazu gekommen? Hat das angefangen, bevor ihr Forscher wurdet? Oder war es für euch von entscheidender Bedeutung, um Forscher zu werden?

Jim Grigsby: Auf mich trifft Letzteres zu. Ich las 1966 zum ersten Mal über LSD in der Zeitschrift Popular Science. Zur gleichen Zeit sprachen auch die Beatles über ihre Erfahrungen. Das hat mein Interesse geweckt, und am College hatte ich Gelegenheit, Psychedelika auszuprobieren. Was den Verlauf meiner Karriere geprägt hat, weil ich mich an der Universität von Saskatchewan, Kanada, bewarb, wo einige der frühesten Forschungsreihen stattfanden. Ich ging gezielt dorthin, um bei Duncan Blewett zu studieren, einem Pionier der LSD-Forschung.

CG: Ich bin 1968 aufs College gegangen und habe mich anfangs nicht für Psychedelika interessiert. Doch im Frühjahr 1969 machte ich meine ersten Erfahrungen, und mir wurden zwei Dinge klar: Einerseits waren da die faszinierenden Erlebnisse mit einem starken transformativen Effekt, andererseits beschlich mich das Gefühl, dass mein Umfeld nicht förderlich für diese Art von Erfahrung war – es bestand ein zu großes Risiko, schlechte Erfahrungen zu machen und alte Traumata zu reaktivieren. Aber mein Interesse war geweckt, und ich wechselte im Hauptfach zur vergleichenden Religionswissenschaft. Nach einer Krankheit und einem Auslandsaufenthalt bekam ich dann einen Job in einem Traumforschungslabor in New York, bei dem ich die ganze Nacht wach bleiben musste, wozu ich gutes Lesematerial brauchte. Einer der Studienleiter verfügte zum Glück über alles, was je über Psychedelika geschrieben worden war. Ich habe die Bücher förmlich verschlungen. Eines Nachts wusste ich, ich wollte Psychedelika studieren. Also besuchte ich erneut das College und dann die medizinische Fakultät. Leider gerieten die Halluzinogene in der Zwischenzeit in Ungnade, es war nicht mal mehr erlaubt, offen darüber zu reden. Also behielt ich mein Interesse für mich, las, so viel ich konnte, setzte mein Studium fort und arbeitete dann Ende der 80er-Jahre mit dem Psychiater Roger Walsh zusammen, der mich ermutigte, neue Studienprojekte zu entwickeln.

Wann habt ihr die ersten Studien durchgeführt?

CG: Die erste lief Ende der 80er-Jahre. Wir hatten keine Erlaubnis, mit Halluzinogenen zu arbeiten, aber wir durften einen Fragebogen für Ärzte erstellen, weil wir der Meinung waren, dass Psychiater Erfahrungen aus erster Hand haben, vor allem mit MDMA, das Ende der 80er eine umstrittene Droge (unter dem Namen Ecstasy – die Redaktion) war. Psychiater wären am ehesten in der Lage, ihre subjektiven Erfahrungen und die objektiven Auswirkungen des Halluzinogens zu beschreiben, glaubten wir. Könnte es zur Behandlung eingesetzt werden? Welche Bedenken gibt es? Also haben wir 20 Psychiater befragt, die Daten analysiert und veröffentlicht. (…) Mehr

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Dieser Artikel stammt aus der Sommer-Ausgabe 02/2021: Abenteuer. Vom Reisen in die Welt und zu uns selbst.

„Nachdem ich einige Erfahrungen mit Halluzinogenen gesammelt hatte, war ich voller Ehrfurcht
und fühlte eine starke Verbundenheit mit den Bäumen und der Natur. Dieses Gefühl hat mich nie ganz verlassen.“

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