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Mitja Back | Narzissmusforschung

Narzissten gelten vor allem in den Medien als rücksichtslose Menschen, die andere manipulieren und ausnutzen. Mitja Back, Professor für Psychologie an der Universität Münster, hat erforscht, was Narzissten wirklich ausmacht, und eröffnet eine neue Sicht auf ihre sehr unterschiedlichen Facetten

Fragen: Stefanie Hammer und Norbert Classen | Foto: Thomas Mohn

Sie forschen zum Thema Narzissmus. Was interessiert Sie daran?

Narzissmus ist eine faszinierende Eigenschaft, vor allem, weil sie so paradoxe Effekte hat. Narzissten streben nach Bewunderung, interessieren sich aber gleichzeitig wenig für die Menschen, von denen sie Applaus erwarten. Aber auch unsere Reaktionen auf Narzissten sind widersprüchlich: Obwohl alle über Narzissten meckern und niemand mit ihnen zu tun haben will, sind Narzissten doch häufig beim Kennenlernen beliebter, sind beim Dating erfolgreicher und steigen eher in Führungspositionen auf. Offensichtlich tun Narzissten einiges, das uns zumindest manchmal ganz gut gefällt.

Wären Sie gerne mit einer Narzisstin verheiratet – und wenn ja, warum?

Ich bin in einer glücklichen Partnerschaft, insofern stellt sich die Frage nicht. Rein hypothetisch: Die Aufregung und Unsicherheit, immer wieder neue Erlebnisse, das Spiel um die Überlegenheit, die Power und Selbstsicherheit – das hätte auch was. Aber dann wieder: All die Egoismen, die ständigen Konflikte, das Aneinanderrasseln – das wäre schon sehr anstrengend.

Ein Narzisst ist der beste …

… Manager, Wissenschaftler, Briefmarkensammler, Liebhaber, Freund, Ratgeber, Leidensgenosse, Klötzchenbauer und Klößchenesser der Welt. Zumindest aus seiner oder ihrer Sicht. Interessant ist ja, dass wir Narzissten in allen sozialen Gruppierungen, Kulturen und Subkulturen finden, weil sich überall und mit den unterschiedlichsten Themen angeben lässt. Ich!, der Klügste, Schönste, und Reichste! Ich!, der selbstloseste Gute! Ich!, der am schlimmsten leidende Arme!

Der Begriff Narzissmus findet heute inflationären Gebrauch – wird dieser Hype dem Thema gerecht?

Ja und nein. Auf der einen Seite ja, weil Narzissmus in der Tat eine Persönlichkeitseigenschaft mit sehr starken und wichtigen Konsequenzen ist – für jeden einzelnen Menschen, für soziale Beziehungen, für die Arbeitswelt und mitunter für ganze Gesellschaften. Es ist kein Wunder, völlig nachvollziehbar und richtig, dass über diese Eigenschaft viel geredet wird. Nein, weil dieses öffentliche Reden über Narzissmus aktuell ziemlich verwirrtes Gerede ist. In der Öffentlichkeit wird Narzissmus als eine schlimme Krankheit dargestellt, vor der wir uns schützen und die wir am besten ausmerzen sollten.

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