An Fehlern wachsen: Hinfallen und aufstehen

„Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen“ – dieser Spruch lacht uns von Grußkarten entgegen und ermutigt uns: Rückschläge kommen vor, Fehler passieren, aber das heißt nicht, dass es danach nicht weitergehen kann. Was der Spruch jedoch unterschlägt, dafür macht sich die Therapeutin und Achtsamkeitstrainerin Heike Mayer in ihrem Buch stark: Bevor wir an unseren Fehlern wachsen können und erhobenen Hauptes aus der Krise schreiten, braucht es einen Moment, in dem wir anerkennen und betrauern, was wir falsch gemacht oder versäumt haben und welchen Schmerz wir womöglich anderen und uns zugefügt haben. Doch wenn wir der schmerzlichen Erfahrung des Scheiterns Raum geben, ist das der erste Schritt, der aus dem Schmerz und der Reue über Vertanes weiterführt und uns ermöglicht, uns mit Selbstmitgefühl zu begegnen, uns zu trösten und zu verzeihen, wie es eine gute Freundin tun würde. So bekommen wir wieder einen Blick dafür, was aus der Situation zu lernen ist und ob eine Wiedergutmachung möglich ist, und wir können gestärkt weitergehen. Das Buch ist angenehm zu lesen, hat einen schmalen Umfang und eine etwas liebliche Optik, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, wie gehaltvoll es ist. Die eingefügten Reflexionen und praktischen Übungen laden dazu ein, unseren (erlernten) Umgang mit Fehlbarkeit und Unzulänglichkeiten zu erkennen, die Angst vor dem Scheitern abzulegen und mit uns und anderen milder umzugehen. In der Leistungsgesellschaft, die die Illusion von Kontrolle und Machbarkeit nährt, ist das eine fällige Herausforderung, aus der wir innere Freiheit gewinnen können.