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Arawana Hayashi | Social Presencing Theater

Die Arbeit der Choreografin, Performerin und Pädagogin Arawana Hayashi ist tief im Zusammenspiel von Individuum und Gruppe, Improvisation und Verbundenheit verwurzelt. Gemeinsam mit Otto Scharmer hat sie das Social Presencing Theater entwickelt, eine Kunstform, die sowohl die gegenwärtige Realität als auch zukünftige Möglichkeiten sichtbar macht. Wir sprechen mit ihr über Körperwissen und über einen neuen Raum der Erfahrung, den die Tänzerin als „sozialen Körper“ bezeichnet.

Interview: Stefanie Hammer, Norbert Classen | Foto: Arawana Hayashi / Klein Karoo U.Lab Coaching Circle

Stefanie: Wir Menschen sind mehr und mehr zu wandelnden Köpfen geworden, mit wenig Körperbewusstsein und wenig Wahrnehmung unserer Körperempfindungen. Wie können wir uns wieder in unserem Körper zu Hause fühlen? Und worin liegt der Wert des Körpers?

Arawana: Der Wert des Körpers liegt darin, dass er der fühlende, wissende Teil ist. Schmecken, riechen, tasten, empfinden sind Sinneswahrnehmungen, die bestimmen, wie wir diese Welt wahrnehmen, wie wir Farbe oder Form erfassen, Bäume oder Äpfel fühlen – all das geschieht durch den Körper. Und genauso fühlen wir Menschen oder Gruppen von Menschen in Bezug auf dieses gefühlte Wissen – wobei sich dieses „Fühlen“ nicht auf Emotionen, sondern nur auf diese empfundene Qualität bezieht. Und darauf, dass dieses Wissen vertrauenswürdig ist. Es ist auch die Grundlage für unsere natürliche Verbindung mit dieser Welt. Die Kommunikation mit ihr basiert genau wie das Gefühl der Zugehörigkeit zu ihr auf dieser gefühlten Qualität. Wie fühlt es sich an, in diesem Körper zu leben? In diesem Moment, während ich hier zum Beispiel vor dem Bildschirm sitze? Was ist das für ein Gefühl? Und welche Qualität liegt in dieser Erfahrung, die kein Konzept ist? Es ist ein nicht konzeptuelles Wissen. Damit sage ich nicht, dass begriffliches und klares Denken unwichtig sind. Aber es ist aus dem Gleichgewicht, wie du bereits gesagt hast. Die Betonung und der Wert werden primär darauf gelegt, wie wir denken und was wir denken. Unsere Meinungen, Annahmen, Konzepte, Glaubenssysteme, Erinnerungen, Projektionen – was auch immer der Sinn der mentalen Aktivität sein mag – wird so hoch bewertet, dass wir das grundlegende Wissen des Körpers und über den Körper vernachlässigt haben. Und das ist wichtig in Bezug auf Heilung, Lernen, Kreativität und Innovation. In Anbetracht der Situation, in der wir uns auf der Erde befinden, brauchen wir das dringend, wir brauchen diesen tieferen Sinn, dieses tiefere Wissen. Es geht um eine Art Reintegration, denn wir brauchen dringend neue Gedanken, Wege und Herangehensweisen, die unzähligen Probleme anzugehen, in denen viel Leid, Aggression und Gier steckt. Es gibt so viele Möglichkeiten, das zu tun.

Möglicherweise wird der Begriff Embodiment, also das Zusammenspiel von Körper, Psyche und Umwelt, gerade von vielen Seiten überstrapaziert, aber es ist großartig, dass so viele Menschen daran interessiert sind, dass der Körper weiß, dass er, das Leben in ihm und sein Fühlen ein wichtiger Bestandteil des Menschseins sind im Hinblick auf ihre Verbindung zum Boden, ihre Erdung, ihre Verbindung zu den Sinneswahrnehmungen. Verbindung ist vielleicht nicht das richtige Wort, da es um ein fühlendes und gefühltes Wissen geht. Unsere Sinneswahrnehmungen sind sehr intelligent und voller Weisheit, und die Stimme des Körpers findet inzwischen auch Anwendung in zahlreichen Heilverfahren. Yoga und andere körperbasierte Methoden sind in der Lage, diese Art von innerem, fühlendem Wissen zu fördern.

Norbert: Das führt mich zur Frage nach der Definition des Begriffs „Körper“. Wo beginnt er für dich als Tänzerin, Choreografin und Meditationslehrerin? Und wo hört er auf?

Arawana: Suzuki Roshi hat gesagt, dass Körper und Geist eins sind und zugleich nicht eins. Denn bis zu einem gewissen Grad gibt es immer einen wahrnehmenden Geist. Aber ich denke, dass es in der Praxis eine Art von Aufmerksamkeit gibt, die in den vier Grundlagen der Achtsamkeit angewandt wird: Die erste ist der Körper. Man kann also sagen, dass es eine Achtsamkeit für den Körper gibt, in der wir zum Beispiel in der Meditationspraxis auf die Form, die Haltung des Körpers achten. Das ist eine wichtige Grundlage, um geerdet zu sein und für ein Gefühl des Seins. Es ist sogar eine Grundlage des Wohlbefindens. Und es hängt nicht von den Umständen ab, ob man durch Achtsamkeit auf den Körper ein Gefühl dafür entwickeln kann, einfach nur mit der gegenwärtigen Erfahrung zu sein, was auch immer sie ist, und das nicht filtern muss oder versuchen, daraus die beste Erfahrung zu machen, sondern dass diese wahrnehmende Haltung das ist, was es ausmacht, in diesem Augenblick ein Mensch zu sein. Das kann man schätzen lernen, vielleicht sogar feiern.

Die Achtsamkeit auf die Körpererfahrung öffnet sich ganz natürlich, wenn es keine Trennung gibt zwischen dem Geist, der darüber nachdenkt, und dem Körper, der vorwärtsgeht. Wenn das getrennt ist, haben wir auch keinen Sinn für die Umgebung, wir hören die Vögel nicht oder spüren nicht den knirschenden Kies unter den Füßen. Aber wenn Geist und Körper erst einmal synchronisiert sind, wenn es eine gewisse Aufmerksamkeit für die körperliche Erfahrung gibt, dann gibt es ein natürliches Gefühl der Öffnung. Ich weiß, dass Achtsamkeit manchmal wie ein starres, in sich geschlossenes System wirken kann. Ich meine hier aber das Gefühl, dass die Berührung mit der Achtsamkeit diese offene Weite zulässt, sie einschließt. In diesem Fall ist es schwer, zu sagen, wo die Grenze liegt. Das Bewusstsein ist unbegrenzt, während Körper deutlich sichtbare Grenzen haben. Aber sie sind durchlässig. (…) Mehr

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