Kaum ein anderer Vorgang hat eine so starke Wirkung auf unser Gehirn und unser Nervensystem wie der Atem. „Atem ist Leben“, sagt Ralph Skuban – nicht nur, weil wir sterben, wenn wir aufhören zu atmen. Alles Lebendige atmet, und so wird der Atem zum Ausdruck eines schöpferischen Prinzips: „Alles kommt und geht, eins gibt sich dem anderen hin, wie Einatmung und Ausatmung.“
Interview: Stefanie Hammer | Foto: Margie / Photocase
Ein Atemzug: Wo beginnt er – wo hört er auf? Und welche Körperteile sind bei unserer Atmung beteiligt, beziehungsweise womit atmen wir eigentlich?
Fundamental betrachtet atmet immer der ganze Körper: jede Zelle und jedes Organ, denn der Atem ist ein essenzieller Teil des Stoffwechselprozesses. Jede Zelle benötigt Sauerstoff, um Lebensenergie zu erzeugen. Der Atem ist bekanntlich das Geschehen, mit dessen Hilfe er in unseren Körper gelangt. Zugleich wird mit jeder Ausatmung überschüssiges Kohlendioxid, also CO2, abgegeben, das im Stoffwechselprozess anfällt. Biochemisch betrachtet vollzieht also der ganze Körper einen ganzheitlichen Prozess, bis in die kleinsten molekularen Strukturen.
Sehen wir uns den Atem mehr aus mechanischer Perspektive an, geht es um jene Körperstrukturen, die ihn bewirken, zum Beispiel die Atemmuskulatur: Das kann, je nach Intensität der Atmung, im Grunde fast jeder Muskel des Oberkörpers sein, von Nacken und Schultern bis in den Beckenboden. Und über die Aktivität dieser Muskeln, vor allem des Zwerchfells, werden alle inneren Organe bewegt und massiert.
Wir könnten uns das Atemgeschehen auch mehr von innen anschauen: die Lungen, das Herz, das Blut, das Gefäßsystem und so weiter – auch hier landen wir schließlich bei der Erkenntnis, dass wir als ganzes Wesen atmen.
Was passiert bei einem Atemzug in unserem Körper?
Um diese Frage zu beantworten, müsste man ein Buch schreiben. Ich versuche, es kurz und konkret zu machen: Damit die Einatmung geschehen kann, müssen Muskeln aktiv werden, sich zusammenziehen. Unter den vielen Atemmuskeln ist das Zwerchfell zweifellos der wichtigste. Aufgespannt wie eine Kuppel zwischen Bauch- und Brusthöhle kontrahiert es bei der Einatmung und bewegt sich dabei nach unten. Je nach Größe der Einatmung helfen dann weitere Muskelgruppen mit, sodass sich der Brustkorb weitet. Dieser Weitung folgen die Lungen, der Druck in ihrem Inneren sinkt und Luft strömt ein. In der Lunge, genauer in den Lungenbläschen, beginnt dann der innere Prozess: Sauerstoff tritt von der Lunge ins Blut über und tritt von hier seine Reise in den Körper an. Umgekehrt gelangt überschüssiges CO2 aus dem Blut in die Lunge und wird ausgeatmet.
Die Ausatmung ist dann der umgekehrte Prozess: Das Zwerchfell und die anderen beteiligten Muskeln entspannen, die Brusthöhle kehrt in die Ausgangsposition zurück und die Luft wird herausgedrückt.
Welche Aspekte umfasst eine natürliche Atmung und welche ein falsches Atemverhalten?
Das lässt sich am einfachsten aufzeigen, wenn wir uns den Atem im Ruhezustand anschauen: Eine natürliche – oder gesunde, funktionale – Atmung sollte bei den meisten Gelegenheiten durch die Nase gehen. Sie erfüllt viele wichtige Funktionen wie die Reinigung, Befeuchtung und Erwärmung der Atemluft, das Verlangsamen des Flows, die Kopplung zum Zwerchfell, sogar die Sterilisierung der Atemluft durch Stickstoffmonoxid, das in der Nase in großen Mengen gebildet wird. Zweitens sollte die Atmung hauptsächlich vom Zwerchfell getragen sein, unserem wichtigsten Atemmuskel, der den Atemprozess so energieschonend wie möglich bewerkstelligt. Die Atmung sollte zudem anstrengungslos sein, was sich vor allem in einer entspannten, loslassenden Ausatmung ausdrückt. Ebenso tendenziell langsam und schließlich auch leise: ein sanfter, entspannter Prozess also, bei dem keine übergroßen Mengen Luft bewegt werden. (…) Mehr