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Birgit Schönberger | Aus der Praxis

Schreiben Sie noch mit der Hand oder führen Sie ein analoges Tagebuch? Dann gehören Sie zu den wenigen Glücklichen, die noch nicht ganz auf Tastatur oder die Diktierfunktion digitaler Programme umgestiegen sind. Glücklich deshalb, weil das Schreiben unsere inneren Netzwerke stimuliert, Kreativität in uns weckt und unsere Intuition fördert. Birgit Schönberger bricht eine Lanze für den guten alten Schreibstift und lädt uns mit Übungen zur Wiederentdeckung des geschriebenen Wortes ein.

Text: Birgit Schönberger | Illustration: Gab K De Jesus

Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Wundermittel. Sie können es jederzeit und überall anwenden. Morgens auf dem Sofa, im Café, im Zug, draußen im Park, nachts im Bett, wenn Sie mal nicht schlafen können. Es ist rezeptfrei, medizinisch unbedenklich und gratis, nur ein paar Minuten ungestörte Zeit und ein wenig Mut braucht es dazu.

Denn es kann sein, dass Sie, nachdem Sie das Mittel angewendet haben, glasklar wissen, dass es höchste Zeit für einen neuen Job ist. Vielleicht führen Sie auch ein Konfliktgespräch, das Sie lange vor sich hergeschoben haben, oder buchen ein Zugticket und sind dann mal weg, weil Ihnen klar wird, dass Sie dringend raus müssen.

Das Wundermittel, das Ihnen jederzeit zur Verfügung steht, ist Schreiben. Früher haben wir es selbstverständlich angewendet. Da hatten wir Sätze wie „Ich kann nicht schreiben“ noch nicht im Kopf und deshalb keine Blockade. Und weil wir nicht wussten, dass wir angeblich nicht oder nicht gut genug schreiben konnten, taten wir es einfach ohne Rücksicht auf Rechtschreibung. Vielleicht haben wir die Trauer über Opas Tod in einem Gedicht verarbeitet, als Jugendliche dem Tagebuch unseren Liebeskummer anvertraut, Langeweile vertrieben, uns schreibend ein aufregenderes Leben erfunden.

Aber dann kamen die Schulaufsätze mit roten Markierungen zurück: „Ungenau! schiefes Bild, unlogisch, Tempus! Satzzeichen!!!“ Die Lust verging. Was wurde damit nicht alles verschlossen! Denn Schreiben hat eine befreiende, klärende, und heilsame Wirkung. Schreiben kann helfen, diffuse, schwierige Gefühle auszudrücken und sich klar darüber zu werden, was gerade los ist. Was ansteht, angepackt oder beendet werden will. Schreiben kann Struktur schaffen und Rückenwind geben für Ideen und Träume. Es schafft einen Möglichkeitsraum, in dem sich ohne Risiko probehalber herumspazieren lässt.

Ein Stift fördert die Intuition

Für Silke Heimes ist Schreiben eine wunderbare Selbstcoaching-Methode. Die Professorin für Journalistik an der Hochschule Darmstadt und Leiterin des Instituts für Kreatives und Therapeutisches Schreiben lässt die Teilnehmer ihrer Schreibseminare zum Beispiel gerne zehn Ziele aufschreiben. Jeweils nur ein Wort, so schnell wie möglich, hintereinander weg, spontan, ohne nachzudenken.

Beim Blick auf die Liste ist das Erstaunen oft groß. Wieso steht da „Freunde, Wandern, Essen“ und nichts von Karriere und Abnehmen? „Oft landen ganz andere Dinge auf der Liste als die, die man vorher im Kopf hatte. Plötzlich wird klar, dass es gar nicht um einen neuen Job geht, sondern um mehr Lebensqualität und Zeit für schöne Dinge“, sagt Silke Heimes, die mehrere Bücher mit zahlreichen Schreibübungen zu speziellen Lebenssituationen veröffentlicht hat. Immer wieder ist sie fasziniert davon, wie wirkungsvoll vor allem ganz einfache Schreibübungen sind, die z.B. beginnen mit: „Als ich heute Morgen aufwachte …“ Und schon kann die Reise nach innen losgehen. Es braucht nur einen Block und einen Stift. Ja, richtig, einen Stift!

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass beim Schreiben mit der Hand mehr Areale im Gehirn aktiviert werden als beim Tippen am PC. Menschen, die von einer digitalen To-do-Liste auf Papier umgestiegen sind, berichten, dass sie ihre Aufgaben jetzt eher umsetzen. Schreiben hilft also, in Aktion zu kommen. Und: Der innere Kritiker wird ausgetrickst. Das Unbewusste schmuggelt mithilfe der Hand, die einfach schreibt, Wahrheiten, Wünsche, Sehnsüchte und Erkenntnisse aufs Papier, die er normalerweise nicht durchgehen lässt. (…) Mehr

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