Moment by Moment

Eine Frau liegt auf dem Bett. Ihre Haare bedecken ihr Gesicht fast vollständig. Lediglich ihr Auge lässt ein Lächeln erahnen.

Der Traum vom guten Schlaf

Fast ein Drittel unseres Lebens verbringen wir im Schlaf – eine Zeit, die alles andere als verschwendet ist, denn im Schlaf regenerieren wir Körper und Geist, steigern unsere Abwehrkräfte und formen träumend unser Nervensystem sowie unsere Erinnerungen. Doch wie viel Schlaf brauchen wir wirklich? Inwiefern mindert unsere moderne Lebensweise, in der wir rund um die Uhr Licht haben, den Erholungswert unserer nächtlichen Ruhe? Und was hat unsere innere Uhr damit zu tun? Diesen Fragen sind wir zusammen mit dem Chronobiologen und Schlafforscher Dr. Alfred Wiater nachgegangen.

Text: Alfred Wiater, Norbert Classen

Im Verlauf der Evolution hat der Mensch den größten Teil seiner Entwicklung im Einklang mit dem natürlichen Rhythmus von Tag und Nacht zugebracht, wobei der Tag mit Aktivität und Bewusstsein und die Nacht mit Erholung und Regeneration im Schlaf assoziiert waren. Schon Schopenhauer hat treffend gesagt: „Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr ist.“

In unserer heutigen Zeit von künstlichem Licht und digitalen Medien, die uns 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen, ist dieser natürliche Rhythmus aus dem Takt geraten. Immer mehr Menschen leiden unter Schlafstörungen, auch durch die gesellschaftlichen Zwänge der Zeitoptimierung: Schon Schulkinder müssen früh morgens raus aus den Federn, um zur Schule zu gehen, und später als Erwachsene zur Arbeit, die nicht nur im Schichtdienst oft alles andere als schlaffreundlich getaktet ist. Denn lange galt Schlaf als vertane Zeit, die man möglichst auf ein Minimum zu reduzieren hatte.

Der Preis der schlaflosen Gesellschaft

Schlafforscher weisen seit Längerem darauf hin, dass sich die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen von Schlafmangel und Schlafstörungen häufen: Konzentrations- und Ausdauerdefizite gehören ebenso zu den Folgen wie allgemeine Einschränkungen der Leistungsfähigkeit und ein erhöhtes Unfallrisiko. Auf der körperlichen Seite kommen Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Stoffwechselstörungen hinzu, auf der psychischen Seite eine verstärkte Neigung zu Depressionen. Die Kosten, die durch Schlafstörungen und ein Leben gegen die innere Uhr entstehen, werden von Wissenschaftlern für Deutschland auf 0,7 bis 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt, wobei mindestens 18 Milliarden Euro im Jahr durch Produktivitätsausfälle infolge von Fehlzeiten und Fehlern am Arbeitsplatz entstehen. Hinzu kommen vier Milliarden Euro Behandlungskosten für Schlafstörungen und weitere vier Milliarden Kosten aufgrund schläfrigkeitsbedingter Unfälle im Straßenverkehr. Letztere sind tatsächlich häufiger als durch Alkohol verursachte Unfälle, wie zahlreiche Studien belegen. Nicht zu messen ist der individuelle Verlust an Lebensqualität, den uns ein chronischer Schlafmangel im Hamsterrad der Arbeit zufügt. Daher ist die Frage entscheidend, wie viel Schlaf wir brauchen, um am nächsten Tag wirklich wach und ausgeruht zu sein.

Erkenntnisse aus der Schlafforschung

Die meisten Menschen brauchen zwischen sieben und acht Stunden Schlaf pro Nacht, wobei es auch Leute gibt, die aufgrund genetischer Veranlagung mit weniger Schlaf auskommen. Doch auch für sie gilt: Erholsam ist der Schlaf nur dann, wenn sie lange genug ungestört schlafen können. Um das zu gewährleisten, brauchen wir ein möglichst dunkles und ruhiges Schlafzimmer, denn Geräusche und Licht stören unseren Schlaf auch dann, wenn wir es nicht bemerken.

Um zu begreifen, warum das so ist, müssen wir uns erst einmal mit den Erkenntnissen der Schlafforschung und dem inneren Aufbau des Schlafs, von Fachleuten Schlafarchitektur genannt, auseinandersetzen: Diese besteht aus zwei wesentlichen Komponenten, dem REM-Schlaf und dem Non-REM-Schlaf (NREM). REM steht dabei für rapid eye movement, schnelle Bewegung der Augäpfel, die man phasenweise während des Schlafs durch die geschlossenen Augenlider beobachten kann.

Weckt man Schlafende in dieser Phase, berichten sie häufig darüber, geträumt zu haben. Deshalb wurde der REM-Schlaf lange als Traumschlaf bezeichnet. Heute wissen wir, dass wir auch in den anderen Schlafphasen träumen, die Träume im REM-Schlaf aber lebhafter sind als im NREM-Schlaf. Letzterer besteht aus drei Phasen: der Einschlafphase, dem Leichtschlaf und dem Tiefschlaf. Während der Nacht durchlaufen wir mehrere Zyklen von NREM/REM-Schlaf, die jeweils etwa 90 Minuten andauern. Zu Beginn des Schlafs haben wir längere Tiefschlafphasen, im weiteren Verlauf wird der Schlaf oberflächlicher und die REM-Phasen nehmen zu. Interessanterweise ist der Anteil des REM-Schlafs in der frühen Kindheit deutlich höher als im späteren Lebensalter. (…) Mehr

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Dieser Artikel stammt aus unserer Winter-Ausgabe 04/2021: Schlaf und Traum. Ihre Bedeutung für Gesundheit, Resilienz und Wohlbefinden.

„Die Kosten, die durch Schlafstörungen und ein Leben gegen die innere Uhr entstehen, werden von Wissenschaftlern für Deutschland auf 0,7 bis 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt.

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