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Brené Brown: Die Macht der Verletzlichkeit

Als Forscherin und Autorin hat Brené Brown das Thema Verletzlichkeit neu definiert und gezeigt, dass sie keine Schwäche ist, sondern eine Quelle innerer Stärke. Ihre eigene Geschichte ist der beste Beleg dafür, dass Verletzlichkeit zur transformativen Kraft werden kann. Wenn wir uns ihr stellen, können wir entdecken, welch große Bedeutung diese verkannte Emotion für das Zusammenleben mit anderen und für unser Selbstbewusstsein hat.

Text: Birgit Schönberger | Foto: Maile Wilson

Ich bin Professorin. Ich forsche zu Verletzlichkeit und habe gemerkt, dass ich selbst ein Problem damit habe. Daran will ich arbeiten. Können wir uns bitte das Kindheits- und Familiengedöns sparen? Ich brauche nur ein paar wirksame Strategien von Ihnen.“ Mit diesen Worten stellte sich Brené Brown einst ihrer Therapeutin Diana vor. Die Psychologin schwieg eine Weile und erklärte ihrer Patientin dann freundlich, aber bestimmt: „So läuft das hier nicht.“ Nach und nach öffnete sich Brené Brown und erforschte ihre Abwehr gegen das Gefühl, verletzlich zu sein. Als Kind hatte sie gelernt, keine Schwäche zu zeigen, nicht zu jammern und sich durchzubeißen. Niemand hatte ihr beigebracht, mit Unsicherheit umzugehen. Ihr wurde klar, dass sie ihre Verletzlichkeit immer verborgen und sich selbst hinter Forschungsdaten und Zahlen verschanzt hatte.
Ihren Durchbruch hatte die Professorin am Graduate College of Social Work in Houston, Texas, 2010 mit ihrem TED Talk „Die Macht der Verletzlichkeit“. Darin erzählt sie freimütig und selbstironisch von ihren erfolglosen Versuchen, ihre Therapeutin zu manipulieren, und anderen Situationen, die ihr im Rückblick peinlich sind. Diese entwaffnende Ehrlichkeit kam beim Publikum gut an: Ihr Vortrag gehört mit 36 Millionen Aufrufen weltweit zu den fünf meistgehörten TED-Vorträgen.
Dabei wollte Brown, als die Anfrage dafür kam, eigentlich absagen. Aus Sorge, die Zuhörenden zu langweilen. Doch wer im Publikum saß, begriff schnell: Da vorne stand eine Wissenschaftlerin, die Verletzlichkeit nicht nur definierte, analysierte und sezierte, sondern sich auch selbst verletzlich zeigte. Die zugab, trotz einer beeindruckenden akademischen Karriere immer noch Versagensängste zu haben. Die offen sagte: „Ich hasse Verletzlichkeit, verdammt nochmal. Mir sind die Gefühle zuwider, die damit verbunden sind.“ 

Die Vermessung der Verletzlichkeit

Brené Brown war die Erste, die das Thema Verletzlichkeit aus der Ecke der unerwünschten Gefühle herausholte. Zwölf Jahre forschte sie an der University of Houston zu Verletzlichkeit, Scham und Authentizität. Nachdem sie die ersten Interviews mit 1.280 Studienteilnehmern unterschiedlicher Nationalitäten im Alter zwischen 18 und 88 ausgewertet hatte, wurde ihr klar, dass in Verletzlichkeit auch eine Stärke verborgen liegt. Anfangs war es nur eine Ahnung, ihr fehlten die Beweise. Doch ihre Hartnäckigkeit kam ihr zu Hilfe. „Mich interessieren vertrackte Probleme. Ich will sie verstehen, vermessen, in ihre Einzelbestandteile zerlegen, ihren Code entschlüsseln und sichtbar machen.“ So beschreibt sie ihr Selbstverständnis als Forscherin. Sie konnte nachweisen, dass Verletzlichkeit keineswegs gleichbedeutend ist mit Schwäche, sondern eine Voraussetzung für Liebe, Zugehörigkeit, Freude und Kreativität. (…)

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