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Porträtaufnahme von Dieter Bednarz

Ein Bettflüchtiger lernt schlafen

Als Journalist ist Dieter Bednarz dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, ob als Israel-Berichterstatter für die WAZ oder als Nahost-Korrespondent für Der Spiegel. Kaum jemand hat den Despoten der Welt mehr kritische Fragen gestellt als er. Heute lebt der 65-Jährige wieder in Deutschland und widmet sich der Familie und seiner Leidenschaft zum Schreiben. Im Fokus stehen Themen, die ihn selbst betreffen, wie etwa seine Schlafstörungen. Mit uns sprach der bekennende Bettflüchtige über seinen Weg durch die Schlaflabore der Republik und zu den führenden Schlafexperten.

Interview: Norbert Classen | Foto: Tinka & Frank Dietz

Guten Morgen, Herr Bednarz. Haben Sie gut geschlafen?

Ja, ich habe ganz okay geschlafen. Nicht gut, denn ich hatte heute Nacht doch ein paar Gedanken familiärer Art, weil meine Tochter ins Ausland geht und ich mir etwas Sorgen mache.

Sie bezeichnen sich selbst als einen Bettflüchtigen. Wie ist das zu verstehen?

Das ist wörtlich zu verstehen. Mein Buch hat ja die Unterzeile Handbuch eines Bettflüchtigen, weil ich mich dazu bekenne, dass ich selber auch unter Schlafstörungen leide. Das Buch ist das eines Betroffenen, der sich aufmacht zu den Experten und sie fragt: „Was kann ich denn tun, was können andere Bettflüchtige tun?“ Bettflucht hieß bei mir konkret, dass ich oft um drei Uhr oder eher um vier aufgewacht bin, nicht wieder einschlafen konnte und dann aufgestanden bin, in der Küche geguckt habe, ob der Herd auch wirklich aus ist, ob ich die Wäsche von der Waschmaschine in den Trockner umfüllen kann – also all die Sachen, mit denen man sich beschäftigt, wenn man es leid ist, sich im Bett herumzuwälzen.

Dann haben Sie Ihrer Schlaflosigkeit den Krieg erklärt. Kann denn so eine martialische Herangehensweise an den Schlaf überhaupt Erfolg haben?

„Den Krieg erklären“, das ist natürlich eine Zuspitzung, ein Spruch nach dem Motto „Ich will das nicht länger hinnehmen“. Und das gibt es, glaube ich, bei allen Formen von Konflikten oder Missverhältnissen: Man nimmt sie eine Zeitlang hin, und irgendwann sagt man: „So, jetzt reicht’s aber!“ Dieser Moment war bei mir vor zwei Jahren. Ich war auf einer Lesereise, hatte guten Erfolg, habe unter paradiesischen Umständen lesen können und fand trotzdem nicht in den Schlaf. Wenn man eine äußerlich so glückliche Situation hat und trotzdem nicht in den Schlaf kommt, sagt man sich irgendwann: „Jetzt reicht’s!“ Da ich auch Autor bin und jahrzehntelang für den Spiegel recherchiert habe, habe ich gesagt: „Jetzt mache ich mich auf und versuche herauszufinden: Was ist Schlaf eigentlich? Was kann man gegen die Schlaflosigkeit und für guten Schlaf tun?“

Apropos Krieg: Haben Ihre Erfahrungen als Korrespondent im Nahen Osten zu Ihren Schlafproblemen beigetragen?

Nein. Ich glaube, ich war grundsätzlich immer ein schlechter Schläfer oder – wie wir Fachleute sagen – ein sensibler. Das ist dann, auch genetisch und durch die Lebensumstände bedingt, eine Grundkonstante. Wenn Sie von Hamburg nach New York fliegen, weil Sie bei der UNO ein Gespräch führen, wissen Sie, dass Sie einen Jetlag haben werden. Und wenn Sie manchmal freitagabends bis halb elf im Büro sitzen, sind Sie so erschöpft, dass Sie um halb zwölf zu Hause in den Schlaf fallen, und wenn Sie dann morgens um vier wach werden, wissen Sie: „Ach, ich muss das noch zu Ende schreiben. Ich will um sechs im Büro sein, um neun ist Konferenz, dann muss das vorliegen.“ Also, von der Arbeitslegitimation her ist diese Art der Schlaflosigkeit etwas ganz anderes – es ist ein Eingebundensein in ein Hamsterrad. In dem Moment aber, in dem man das Hamsterrad verlässt, ist klar: Jetzt ist Wochenende, jetzt ist Urlaub, jetzt bin ich freigestellt von den Verpflichtungen. Wenn man dann in den Schlaf findet und ihn sich zurückholt, was man ja nur bedingt kann, ist das in Ordnung. Wenn Sie aber auch samstagmorgens um vier Uhr wach werden und sagen: „So, ich muss die Geschichte schreiben!“, macht das nachdenklich. So war die Zuspitzung auch bei mir, dass ich unter paradiesischen Umständen merkte, wie schlecht ich schlafe. (…) Mehr

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Dieser Artikel stammt aus unserer Winter-Ausgabe 04/2021: Schlaf und Traum. Ihre Bedeutung für Gesundheit, Resilienz und Wohlbefinden.

„Der Schlaf ist ein Partner, und wie in jeder guten Partnerschaft erwartet er Rücksichtnahme. Er möchte nicht in irgendein Korsett gestanzt, sondern respektiert und angenommen werden.

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