Es ist stockdunkel, als Yongey Mingyur Rinpoche 2011 sein Kloster in Nordindien wie ein Flüchtender verlässt. Ein hinterlassener Brief des Abtes erklärt seinen Schülern, dass er sich in der Tradition großer Yogis zu einem mehrjährigen Wander-Retreat zurückziehen wird. Mingyur stellt sich vor, wie er seine Privilegien als Abt und hochverehrter Rinpoche ablegt, um frei für das Leben zu sein, dafür, „jeden Tag mit neu erwachtem Engagement für alles zu leben, was kommen mochte“. In seinem eindringlichen Bericht nimmt er uns mit auf seine Reise durch die „Bardos von Leben und Sterben“, wie es im englischen Originaltitel heißt. Mit schonungsloser Ehrlichkeit erzählt er, mit welchem inneren Widerstand er etwa zu kämpfen hatte, als er das erste Mal länger in der untersten Preisklasse mit dem Zug reiste. War er eben noch ein gefragter Lehrer, der in Meditationszentren in allen Teilen der Welt unterrichtete, war er jetzt zusammengepfercht mit Menschen, die seiner Robe keine Beachtung schenkten. Er kämpft mit dem „Affengeist“, der unermüdlich auf ihn einplappert und ihm seine missliche Lage vor Augen führt, er kämpft mit der Scham, als er zum ersten Mal um Essen betteln muss, gebeutelt von schwerem Durchfall kämpft er schließlich mit dem Tod. Mingyurs Erzählweise bringt den Lesern die Situationen sehr nahe, wie er immer wieder versucht, seinen Geist zur Ruhe zu bringen und auch in verzweifelter Lage Akzeptanz zu üben. Ein Buch zum Miterleben.
Yongey Mingyur Rinpoche mit Helen Tworkow
Auf dem Weg
Eine Reise zum wahren Sinn des Lebens
btb 2019
EUR 20,00
