Moment by Moment

Illustration einer Konferenz in lockerer Atmosphäre. Mehrere Personen sitzen an einem Konferenztisch und unterhalten sich, weitere Personen sind per Videotelefonie zugeschaltet.

Wirksames Handeln ohne Verstrickungen

Eine zu starke Identifikation mit unserer Arbeit führt leicht dazu, dass wir andere Felder in unserem Leben vernachlässigen. Wie wir dies erkennen, ändern und aktiv in allen Lebensbereichen nutzen können, erklärt uns Edgar Geiselhardt.

Text: Dr. Edgar Geiselhardt | Illustration: Good Studio

Wir sind es gewohnt, uns für vieles, was uns wichtig ist, voll einzusetzen. Das ist gut so. Denn es gibt unserem Handeln Energie, ein Ziel und Entschlossenheit. Es hebt bestimmte Situationen hervor, und in ihnen erleben wir uns besonders intensiv, kraftvoll und selbstbestimmt. Sozusagen voller Leben und voll im Leben. Wunderbar!
Gleichzeitig kann uns dieser „volle Einsatz“ aber auch einseitig und verletzlich machen. Wir fokussieren dann verstärkt auf unsere Sicht und verlieren andere Menschen und deren Perspektiven mehr oder weniger aus den Augen. Manchmal werden wir in unserem Eifer blind. Wir greifen andere Sichtweisen und Personen an, bewerten oder verurteilen sie und lösen damit schwierige Wechselwirkungen aus. Oder wir vernachlässigen Bereiche in unserem Leben, deren Bedeutung uns erst bewusst wird, wenn sie beschädigt sind oder es einfach zu spät ist. Das kann die eigene Gesundheit betreffen, wichtige Beziehungen oder schlicht die Lebensfreude.
Ist dieses Spannungsfeld ein natürlicher Bestandteil unseres Lebens und unabdingbar? Oder lässt sich zumindest ein Teil davon umgehen, und wie kann man das konkret tun? Eine erste Orientierung bieten uns die Begriffe Engagement und Identifikation.
Das Wort engagieren geht zurück auf das französische Wort engager „verpflichten, binden, in Dienst nehmen“ und setzt sich zusammen aus en „in“ und gage „Lohn, Gehalt“. Beim Engagement geht es somit um eine Verpflichtung, die sich aus einer inneren und/oder äußeren Bindung ergibt, und dem damit verbundenen starken persönlichen Bemühen. Es geht um den persönlichen Einsatz für etwas, das uns wichtig erscheint, und die damit verbundene materielle, soziale oder emotionale Belohnung. Unser Handeln folgt einer Intention, die uns in der Regel bewusst ist.
Im Begriff Identifikation ist das lateinische idem „eben der, derselbe“ mit dem Verb facere „machen“ verknüpft. Identifizieren heißt also „sich zu eben dem machen“. Wir setzen uns dann – meist unbewusst – mit etwas gleich: einer Rolle, einem Ziel, einem Status, einer Organisation, einer Beziehung, einer Eigenschaft, einem Wert, eine Überzeugung oder etwas Ähnlichem. Wer wir zu sein glauben, ist nicht getrennt davon.
In der Regel gehen Identifikationen einher mit starker emotionaler Verbundenheit. Eine Rolle, ein Ziel oder Ähnliches bekommt eine besondere Bedeutung und wird Teil unseres Selbstverständnisses, ja sogar des eigenen Ichs. Indem ich mich für das Objekt meiner Identifikation einsetze, setze ich mich daher – bewusst oder unbewusst – für mich selbst ein. Wenn es kritisiert oder bedroht wird, wird mein Ich kritisiert oder bedroht. Das kann bis zum Gefühl, die eigene Identität wäre in Gefahr, führen. Für das limbische System im menschlichen Gehirn (das unter anderem Emotionen verarbeitet und das Triebverhalten mit hervorbringt – die Redaktion) geht es dann tatsächlich ums Überleben, und entsprechend verteidigen wir uns und kämpfen.

Woran kann man belastende Identifikationen erkennen?

Der Übergang zwischen Engagement und Identifikation ist in beide Richtungen fließend. Engagement kann zur Identifikation führen, Identifikation in Engagement umgewandelt werden. Den Unterschied macht der jeweilige Grad der Bewusstheit und der inneren Distanz. Das Engagement für ein bestimmtes Thema, z.B. die Nachbarschaftshilfe in meinem Dorf, kann ich bewusst eingehen und gegebenenfalls ebenso bewusst beenden. Die Identifikation mit einem bestimmten Phänomen, z.B. dem FC Bayern München, kann ich nicht bewusst herstellen oder beenden. Sie entwickelt sich schleichend auf der Grundlage emotional geprägter Erfahrungen und ist tiefer in meiner Person bzw. meinem Gehirn verankert. Die Auflösung von Identifikationen geht daher oft mit Enttäuschungen und schwierigen emotionalen Erfahrungen einher. (…) Mehr

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Dieser Artikel stammt aus der Sommer-Ausgabe 02/2021: Abenteuer. Vom Reisen in die Welt und zu uns selbst.

„Alles, was im Kern nicht unabdingbar zu uns gehört, hat für uns und unser Leben nur eine relative Bedeutung. Diese kann groß sein, ist aber nicht absolut.“

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