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Forschung | Warum wir lachen

Obwohl Menschen auf der ganzen Welt viel und gerne lachen, ist erstaunlich wenig über dieses angeborene Verhalten bekannt. Die wissenschaftliche Forschung nimmt das Lachen erst seit wenigen Jahrzehnten ernst und versucht, zu beantworten, warum wir lachen, ob Lachen tatsächlich gesund ist und was dabei in unserem Gehirn geschieht.

Text: Norbert Classen | Foto: Ivana Cajina

Noch bevor Babys sprechen oder laufen, können sie lachen. Das erste fröhliche Kichern oder Glucksen eines Säuglings im Alter von etwa vier Monaten verzaubert selbst die erschöpftesten Eltern, und von da an ist das Lachen für das Kind ein lebenslanges Mittel, um sich selbst auszudrücken und mit der Welt zu kommunizieren.

Den Ursprung des Lachens haben Verhaltensforscher wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt oder Desmond Morris, die das menschliche Lachen mit ähnlichen Äußerungen unserer nächsten Verwandten wie Schimpansen oder Bonobos verglichen haben, in einer instinktiv ablaufenden Form der Aggression ausgemacht, denn wenn Menschenaffen zu lachen scheinen, ist dies tatsächlich ein Ausdruck von Aggression, der den „Angelachten“ unmittelbar zur Änderung seines Verhaltens auffordert – verbunden mit der klaren Botschaft, dass sonst ein Angriff folgt.

Auch beim Menschen gibt es völkerübergreifend das Phänomen des Spotts: Jemand wird von anderen verspottet und ausgelacht, um ihn zu zwingen, sein Verhalten an das der Gruppe anzugleichen. Sobald das geschehen ist, endet der Spott – es sei denn, jemand wird aus Gründen verspottet, die er nicht ändern kann, etwa wegen einer anderen Hautfarbe oder weil er behindert ist. Dann läuft die eigentlich soziale Funktion des Spotts ins Leere und endet in aggressivem Lachen, das auch der Vorläufer der sogenannten Schadenfreude ist. Doch zum Glück hat sich das Lachen bei uns Menschen zu einer außerordentlich vielschichtigen positiven Gefühlsäußerung weiterentwickelt, die weit über ihre aggressiven Wurzel hinausgeht.

Sozialer Kitt und Mittel zur Stressreduktion

„Im Laufe der Evolution haben sich die komplexen Gesichtsmuskeln zunehmend ihrer Rolle als reines Ausdrucksmittel angepasst“, sagt Desmond Morris und unterscheidet die subtilen Ausdrucksmöglichkeiten, die unsere komplexen Stimmungslagen anderen Menschen vermitteln: vom glücklichen Lächeln eines Kindes über das ausgelassene Lachen eines Erwachsenen bis zum verkrampften Lächeln eines Bankfilialleiters, der uns einen Kredit verweigert. Wir tragen unsere Emotionen offen im Gesicht, selbst wenn wir sie gerne verbergen würden.

Echtes Lachen ist, da sind sich die Forscher heute weitgehend einig, ein sozialer Kitt, der Menschen zusammenhält und dabei hilft, alle möglichen Erfahrungen und Begegnungen zu bewältigen und auszugleichen. Doch wie das genau funktioniert und was dabei in unserem Gehirn geschieht, wird gerade erst von Neurowissenschaftlern erforscht.

Aktuelle Studien der Loma Linda University in Kalifornien zeigen zum Beispiel, dass Lachen dem Gehirn hilft, die Stresshormone Cortisol und Adrenalin zu regulieren. Die Forscher entdeckten auch einen Zusammenhang zwischen Lachen und dem Immunsystem sowie der Produktion von Endorphinen, natürlichen Drogen unseres Körpers. Schon die Erwartung, dass gleich ein lustiger Film zu sehen sein wird, reicht aus, um unsere Abwehrkräfte anzukurbeln und uns in eine ausgelassene Stimmung zu versetzen, so der Immunologe Lee Berk.

Wissenschaftler der Maryland School of Medicine haben herausgefunden, dass Lachen auch dazu führt, dass sich das Gewebe, das die innere Auskleidung unserer Blutgefäße bildet, das Endothel, ausdehnt, was zu einem erhöhten Blutfluss führt, während Stress die Blutgefäße verengt und den Blutfluss drosselt. „Das Ausmaß der Veränderungen, die wir am Endothel nach dem Lachen feststellten, war vergleichbar mit dem Nutzen, den wir beim Aerobic-Training sehen“, so Michael Miller, der Leiter der Studie.

Der erhöhte Blutfluss sorgt dafür, dass Körper und Gehirn mit mehr Sauerstoff versorgt werden, was zahlreiche andere Studien zur gesundheitlichen Wirkung des Lachens aus aller Welt bestätigen: Der Blutdruck wird positiv beeinflusst, genauso wie die geistige Fitness von Menschen im Altersheim. Die deutliche Reduktion der Stresshormone durch das Lachen sorgt obendrein für zahlreiche positive physische und psychische Wirkungen wie Entspannung, gesteigerten Optimismus oder das Gefühl für Zusammenhalt. Denn Lachen wirkt ansteckend und verbindet uns mit den Menschen, mit denen wir uns gemeinsam über etwas amüsieren. Doch warum ist das so?

Der ansteckende Effekt des Lachens wird über sogenannte Spiegelneuronen im prämotorischen Cortex ausgelöst, dem Teil unserer Hirnrinde, der für die Planung von Bewegungsabläufen zuständig ist. Spiegelneuronen, so dachte man lange, würden allein durch die optische Betrachtung einer Bewegung anderer Menschen aktiviert, um diese dann auf neuronaler Ebene widerzuspiegeln und selbst umzusetzen. Britische Neurowissenschaftler konnten nun mithilfe von Echtzeit-Untersuchungen im funktionellen Magnetresonanztomografen, der Vorgänge im Gehirn sichtbar macht, nachweisen, dass die Spiegelneuronen auch durch akustische Signale angesprochen werden, wobei Jubelrufe und lautes Lachen besonders ansteckend wirkten. (…) Mehr

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