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Ein Bündel Glasfaserkabel leuchtet rötlich vor einer MRT-Aufnahme eines Gehirns. Bild dient zur Illustration der Leseprobe "Konflikte nachhaltig lösen" darüber wie Methoden zur Stressreduktion wie Metta-Meditation und Mitgefühlstraining indirekt dazu beitragen, Streitigkeiten wirksam zu lösen.

Konflikte nachhaltig lösen

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Stress unsere Fähigkeit zur Konfliktlösung in unserem Gehirn blockiert, weshalb wirkungsvolle Methoden zur Stressreduktion wie Metta-Meditation und Mitgefühlstraining indirekt dazu beitragen, Streitigkeiten wirksam und nachhaltig zu lösen. Olga Klimecki erforscht die hieran beteiligten Mechanismen im Gehirn und erklärt die grundlegenden Zusammenhänge.

Text: Olga Klimecki | Foto: Andrew Brookes / Alamy

Schon wieder hast du das Geschirr nicht weggeräumt.“ „Nie hörst du mir zu.“ „Der Chef hat heute wieder schlechte Laune!“ Wer kennt diese Sätze nicht – Konflikte gibt es in der Familie, am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis. In der Gesellschaft sind sie aktuell besonders stark spürbar, man braucht nur an die Grabenkämpfe zwischen Impfgegnern und -befürwortern zu denken. Zu selten hören Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten einander mit aufrichtigem Interesse und Wohlwollen zu. Zu oft sind langjährige Freundschaften an festgefahrenen Standpunkten zerbrochen.

Konflikte gehen nicht spurlos an uns vorbei. Sie sind oft stressig und führen im Körper zu einer erhöhten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Stress und Cortisol wiederum wirken sich negativ auf die Fähigkeit aus, eigene Gedanken, Emotionen und Handlungen zu kontrollieren. Die US-amerikanische Neurowissenschaftlerin Amy Arnsten von der Yale University erläutert in einem 2009 erschienenen Artikel, dass schon milder chronischer Stress dazu führt, dass präfrontale Gehirnfunktionen eingeschränkt sind. Präfrontale Gehirnaktivität ist aber zentral bei der Regulation von Emotionen, Aufmerksamkeit und Handlungen. Unter chronischem Stress tritt anstelle der präfrontalen Kontrolle ein schnelles System, welches von der Amygdala gesteuert wird. Dieses System ist für Angriff, Abwehr und Flucht relevant und beruht auf emotionalen Gewohnheiten und erlernten Verhaltensmustern. Und diese eingefahrenen, impulsiven Muster sind in sozialen Situationen nicht immer hilfreich.

Die Rolle des präfrontalen Cortex

Die zentrale Rolle des präfrontalen Cortex bei der Regulation von Emotionen und Verhalten zeigte sich in einer Studie, die wir 2018 veröffentlicht haben. Darin entschieden männliche Teilnehmer in Interaktion mit einem fairen und einem unfairen Mitspieler über Geldverteilungen. Während des gesamten Spiels wurde die Gehirnaktivität der Teilnehmer mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (MRT) gemessen. Wir beobachteten, dass unfaires Verhalten Wut auslöste. Zudem führte es dazu, dass Teilnehmer den unfairen Spieler häufiger bestraften als den fairen. Dabei zeigte es sich, dass Teilnehmer, die bei unfairem Verhalten eine höhere Aktivität im präfrontalen Cortex hatten, den unfairen Spieler später seltener bestraften. Eine höhere Aktivität des für Emotionsregulation wichtigen präfrontalen Cortex ist also hilfreich, um soziales Verhalten zu steuern. Da Stress die Funktionalität des präfrontalen Cortex und damit auch die Fähigkeit zur Emotions- und Handlungsregulation einschränkt, lohnt es sich, Stress zu reduzieren.

Stress zu reduzieren, macht auch aus anderen Gründen Sinn. Eine aktuelle Studie aus unserem Labor zeigt, dass Stress zu mehr Bestrafungsverhalten führt (Deza-Araujo u.a., 2022). Die männlichen Teilnehmer dieses Experiments wurden zufällig einer von zwei Bedingungen ausgesetzt. Die Hälfte von ihnen wurde mit kaltem Wasser und einer Filmaufnahme gestresst, die andere Hälfte nicht. Wie erwartet, zeigten die gestressten Teilnehmer erhöhte Cortisol-Werte. Anschließend interagierten die Teilnehmer wie in der vorherigen Studie mit einem fairen und einem unfairen Spieler, um über Geldverteilungen zu entscheiden. Es zeigte sich, dass Stress zu einem Anstieg des Bestrafungsverhaltens führte. Dabei fiel die Bestrafung umso stärker aus, je mehr Cortisol ausgeschüttet wurde. Teilnehmer, die auf den Stressor mit weniger Cortisol-Ausschüttung reagierten, verhielten sich freundlicher. (…) Mehr

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Dieser Artikel stammt aus unserer Herbst-Ausgabe 03/2022: Vertrauen in das Leben und in mich selbst.

„In allen Studien zeigte sich, dass Mitgefühlstraining sich positiv auf konfliktbehaftete Beziehungen auswirkt. So führte es etwa dazu, dass Teilnehmer nach dem Meditationstraining mehr Mitgefühl für schwierige Menschen am Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld hatten.“

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