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Zeichnung eines kleinen Jungen, der einen Comic-Dinosaurier an einer Leite hält als Streetart an einer Mauer. Bild dient der Illustration der Leseprobe "Achtsamkeit mit Kindern leben"

Achtsamkeit mit Kindern leben

Wer Kinder hat, weiß, wie groß die Herausforderung sein kann, sie liebevoll und geduldig ins Leben zu begleiten. Gerade in schwierigen Momenten versagt unser Wissen über Kommunikation rasch, und alte Muster übernehmen die Regie. Wie wir wirklich mit und an Kindern wachsen können, erklärt der erfahrene Achtsamkeitslehrer, Autor und Vater Lienhard Valentin und zeigt, wie uns unser innerer Kompass dabei helfen kann.

Text: Lienhard Valentin | Fotos: Yaopey Yong

Es gibt kaum eine größere emotionale Herausforderung, als Kinder zu begleiten und, wenn es nötig ist, zu führen, ohne Zwang auszuüben oder laut zu werden. Auch weil Eltern, vor allem Mütter, heutzutage nicht die notwendige Unterstützung bekommen. Als Eltern geraten wir daher täglich in Situationen, in denen wir nicht wissen, was wir tun sollen. Sei es, weil unser geliebtes Kind von emotionalen Stürmen überwältigt wird und unerreichbar ist, oder einfach nur, weil es andere Pläne zu haben scheint als wir. Natürlich möchten wir unsere Kinder so achtsam und einfühlsam wie möglich ins Leben begleiten, aber wenn es nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen, kann es schnell passieren, dass wir anfangen, zu drohen und zu schimpfen, oder zu anderen Handlungen hingerissen werden, die nicht unserer Absicht entsprechen, einfühlsam auf unsere Kinder einzugehen.

Der innere Kompass

Nun gibt es inzwischen viele gute Elternratgeber, die Strategien vorschlagen, wie wir uns mit unseren Kindern verbinden, einfühlsam Grenzen setzen und sie auf diese Weise dazu bewegen können, das zu tun, was wir uns von ihnen wünschen.

Dummerweise ist aber alles Wissen, was wir in solchen Situationen tun könnten, wie weggeblasen, wenn wir in Stress geraten. Und nicht nur das – wenn es unsere Hauptabsicht ist, unsere Kinder geschickt dazu zu bewegen, dass sie tun, was wir wollen, werden sie sich zu Recht manipuliert fühlen und uns auflaufen lassen. Wie schon Goethe gesagt haben soll: „Ich spüre die Absicht und bin verstimmt.“ Und selbst wenn wir uns von diesen Büchern zutiefst angesprochen fühlen, ist doch jedes Kind und jede Situation einzigartig, und auch die beste Landkarte kann diese Einzigartigkeit nicht abbilden. Damit will ich nicht sagen, dass solche Bücher unnütz sind – im Gegenteil, sie können sehr hilfreiche Hinweise geben. Aber wichtig ist, dass wir sie uns zu eigen machen, dass wir sie authentisch verkörpern, und das ist leider nicht so einfach. Wir benötigen dazu den Zugang zu bestimmten inneren Ressourcen, und die entwickeln sich nicht über Nacht. Wenn wir surfen lernen wollen, begeben wir uns mit unserem Surfbrett auch nicht gleich auf die höchsten Wellen.

Ich werde hier auf einige Aspekte eingehen, die dazu beitragen können, Zugang zu unserem inneren Kompass zu bekommen. Zu der Instanz in uns, die wie keine andere geeignet ist, uns durch die Stürme des Elternseins zu navigieren. Dies ist nur möglich, wenn wir offen, unvoreingenommen, wohlwollend und präsent sind – im sogenannten empfänglichen Modus des Gehirns. In diesen Modus kommen wir nicht durch eine Willensanstrengung, wir können ihn nicht erzwingen – vielmehr stellt er sich ein, wenn wir lernen, in uns selbst zu ruhen und mit uns und unserer Erfahrung, so wie sie gerade ist, zu sein. Er ist so etwas wie ein sicherer innerer Hafen, ein Zufluchtsort, an dem wir uns mit uns selbst, unseren Werten und unserem inneren Kompass verbinden können. Eigentlich ist es der Ruhemodus unseres Gehirns – also der Modus, der sich einstellt, wenn wir uns weder bedroht noch ängstlich, noch getrieben fühlen und daher mehr inneren Raum haben, um eine Situation realistisch einschätzen und auch aus der Perspektive anderer sehen zu können. (…) Mehr

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Dieser Artikel stammt aus unserer Herbst-Ausgabe 03/2022: Vertrauen in das Leben und in mich selbst.

„Um gelassener zu werden und mehr mit uns und unseren Kindern verbunden zu sein, kann es sehr hilfreich sein, zu erkennen und zu akzeptieren, dass wir immer wieder keine Ahnung haben.“

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