Es gibt kaum eine spannendere und zugleich herausforderndere Lebenszeit als die Jugend. In der Pubertät spielen nicht nur die Hormone verrückt, sondern im Leben und Gehirn der Heranwachsenden bilden sich auch neue Bahnen. Teenager sind daher besonders gefordert, verletzlich und anfällig für äußere Einflüsse. Die Psychologin Niina Tamura weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, in dieser Zeit Unterstützung zu bekommen, um den eigenen Platz in der Welt zu finden.
Text: Sarina Hassine | Foto: Olia Danilevich
Teenager befinden sich in einer Orientierungsphase, grenzen sich ab und entdecken sich neu. Dabei sind sie oft mit Dingen konfrontiert, die sie überfordern. Vonseiten der Schule, der Familie und der Gesellschaft sind die Ansprüche heute besonders hoch. Das Credo lautet: „Du musst dich anstrengen und anpassen, sonst kannst du nicht mithalten.“ Dazu kommen große gesellschaftliche Themen wie die Klimakrise, Kriege und viele ethische Fragen, die bei den jungen Menschen Zukunftsängste wecken.
Wie den Jugendlichen das Erwachsenwerden gelingt und wie es ihnen dabei geht, hängt davon ab, wie resilient sie sind, wie viele Ressourcen sie mitbringen und welche Unterstützung sie aus dem Umfeld erfahren. Soziale Medien haben einen starken Einfluss auf die Teens: Hier suchen sie nach Orientierung und Verbundenheit mit anderen, finden aber auch viele Bilder und Aussagen, die den Druck verstärken. Influencer und die eigenen Altersgenossen vermitteln einem, wie man sein muss: am besten perfekt.
Niina Tamura, Kinder- und Jugendpsychologin, arbeitet auf der Grundlage der Mindful Self-Compassion von Kristin Neff und Chris Germer mit elf- bis 17-jährigen Mädchen und Jungen. Sie kennt die Nöte vieler Teens, die unter anderem mit Depressionen oder sozialen Ängsten zu tun haben, und erklärt: „Jugendliche stehen in dieser Entwicklungsphase vor zwei existenziellen Fragen: Wer bin ich, und wo ist mein Platz in der Welt? Diese Identitätsfindung ist wichtig, weil sie sich darauf vorbereiten, das Nest zu verlassen, ihren Platz in der Peergroup suchen und natürlich auch schauen müssen: Wo möchte ich später mal dazugehören?“
Doch dieser natürliche Prozess erzeugt, eingebettet in ein gesellschaftliches und persönliches Umfeld von Erwartungsdruck, einen fatalen Fallstrick: Der sogenannte innere Kritiker wird bei vielen Teenagern omnipräsent. „Selbstkritik hat prinzipiell eine wichtige Schutzfunktion, denn sie möchte uns davor bewahren, dass wir auf die Nase fliegen und bei anderen schlecht ankommen. Aber sie hat eben auch einen sehr hohen Preis. Denn wenn ich mich ständig selbst infrage stelle, ist das natürlich auch mit Gefühlen wie Scham, Unsicherheit und Angst verbunden“, so Tamura. (…)