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Geschwister im Lockdown: Die Chance, einander näher zu kommen

Statistisch betrachtet ist es die längste Beziehung unseres Lebens: Geschwister begleiten und prägen uns – und fordern uns heraus. Mit unseren Geschwistern lernen wir streiten und uns zu vertragen. Doch wie gestalten Eltern das Zusammenleben mit mehreren Kindern so, dass sich jedes einzelne Kind gesehen und geliebt fühlt?
 Hier setzt das Autorinnen-Duo
Danielle Graf und Katja Seide in seinem neuesten Ratgeber „Das gewünschteste Wunschkind von allen treibt mich in den Wahnsinn. Das Geschwisterbuch“ an. Unsere Redakteurin Miriam Münch konnte Danielle Graf ein paar Fragen zu den besonderen Herausforderungen für Familien in der Pandemie stellen.

Danielle, wie nimmst Du das wahr: Haben es Geschwisterkinder in Zeiten von Kontaktbeschränkungen etwas einfacher, weil sie nicht das einzige Kind im Haushalt sind?

Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten, weil die Antwort maßgeblich davon abhängt, wie die Konstellation der Geschwister ist. Mentalität, Kompatibilität, Alter und Altersabstand haben einen großen Einfluss darauf, wie sehr Geschwister harmonieren oder wie hoch das Konfliktpotential ist. Was ich durchaus beobachte: dass die Kinder in Zeiten von Kontaktbeschränkungen mehr zueinander finden, weil ihnen der Kontakt zu den Freunden fehlt. Die soziale Interaktion ist für Kinder sehr wichtig, so dass sie sich in einer solchen Situation eher mit ihren Geschwistern beschäftigen, als dies womöglich sonst der Fall ist. Das enge Zusammenleben führt aber auch dazu, dass unter Umständen mehr Konflikte entstehen als in Zeiten, in denen man sich besser aus dem Weg gehen kann.

Was können Eltern tun, um in Ausnahmesituationen wie der Quarantäne gute Bedingungen für ein Miteinander unter Geschwistern zu schaffen?

Die größten Stressfaktoren in der Quarantäne sind räumliche Enge und zu wenige Möglichkeiten, sich zurück zu ziehen. In Zeiten reiner Kontaktbeschränkungen ist es gut und wichtig, so viel wie möglich raus zu gehen – idealerweise in die freie Natur. Viel Bewegung und viel Platz sind ein wichtiger Ausgleich. Können die Kinder quarantänebedingt nicht raus, sollten die Bewegungsmöglichkeiten in der Wohnung oder im Haus angeboten werden. Kletterwände, kleine Trampoline, Boxsäcke u. Ä. bieten Gelegenheiten, sich auszuagieren und beugen einem Lagerkoller vor. Wichtig ist es, Kontakt zu Freunden zu halten. Dank der Video-Telefonie ist das mittlerweile ja unkompliziert möglich. Jedes Kind sollte außerdem ausreichend Raum haben, sich zurückzuziehen und Dinge auch ganz alleine zu machen, soziales Miteinander kann auch sehr erschöpfend sein, so dass es Ruhepausen braucht.

Hast Du einen motivierenden Satz für alle Eltern da draußen, die vielleicht gerade im Home Office mit mehreren Kindern in der zu kleinen Stadtwohnung verzweifeln?

In diesen besonders herausfordernden Zeiten sollten wir uns darauf besinnen, was wirklich wichtig ist. Es ist eine vollkommene Illusion, Homeoffice und Homeschooling in derselben Qualität, zu erbringen, wie das mit Präsenzunterricht oder auf Arbeit gelingt. Daher nehmt den Druck raus, macht Abstriche und nur das absolut Notwendige – und seht diese Zeit als eine Möglichkeit, viel Zeit mit Eurer Familie zu verbringen, einander noch näher zu kommen und endlich mal zu entschleunigen.

Liebe Danielle, vielen Dank für Deine Antworten.

Mehr zu Mindful Parenting Familienleben finden Sie in unserer Frühlings-Ausgabe 1/2021. Miriam Münch hat Familienberaterin und Jesper Juul-Schülerin Marie Wiese interviewt zur Kunst, im familiären Miteinander Grenzen zu setzen.

Danielle Graf / Katja Seide

Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den
Wahnsinn

Das Geschwisterbuch

Beltz Verlag 2020

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